Die Rhythmisierung stand am 15. September 2022 im Mittelpunkt einer Online-Veranstaltung der Serviceagentur Ganztägig lernen M-V mit Heinz Günter Holtappels, emeritierter Professor an der Technischen Universität Dortmund. Mit Gastprofessuren an den Universitäten in Graz, Melbourne und Beijing gehört Holtappels zu den renommiertesten Schulentwicklungsforschern in Deutschland. In seinem Online-Vortrag stellte er praktische Tipps und Herausforderungen vor, die bei der zeitlichen Ausgestaltung des Schultages zu beachten sind.
Mit diesem Vortrag startete eine Veranstaltungsreihe der Serviceagentur, die sich im Oktober und Dezember 2022 fortsetzt. Dann geht es um Praxisbeispiele aus Mecklenburg-Vorpommern für sinnvolle Tagestrukturen und eine Werkstatt, bei der die gewonnenen Eindrücke konstruktiv in die eigene Schulpraxis überführt werden sollen. Hierzu findet am 25. Oktober 2022 ein landesweiter Werkstatt-Tag im Eldenburg-Gymnasium Lübz statt, für den Sie sich hier anmelden können.
Rhythmisierung wird als eine sinnvolle Gliederung des Schultags und als Wechsel zwischen verschiedenen Aktivitätsphasen innerhalb eines Schultags, einer Schulwoche und eines Schuljahrs definiert. Ihre Vorteile liegen darin, dass mehr Zeit für individuelle Lernzugänge und erweiterte Lernformen wie Freiarbeit, projektorientiertes Lernen und fächerverbindendes Arbeiten zur Verfügung steht.
Erkenntnisse aus der Forschung untermauern die Sinnhaftigkeit. So ist die Leistungs- und Konzentrationskurve von Schüler*innen am Vormittag und frühen Nachmittag am höchsten, sodass auch zwischen 14 und 16 Uhr kognitiv anspruchsvolles Lernen möglich ist. Das Gehirn benötigt zur Abspeicherung und Verarbeitung von Informationen Zeit, weshalb eine Erweiterung des zeitlichen Rahmens die Nachhaltigkeit des Lernens sichern kann. Ein Wechsel der Formen, Situationen und Aktivitäten des Lernens innerhalb einer Schulstunde bzw. eines Schultags trägt ebenso entscheidend dazu bei. Heinz Günter Holtappels betonte in seinem Vortrag, dass dem Wechsel der Lernaktivitäten eine zentrale Bedeutung zukommt.
Eine schülergerechte Zeitorganisation muss also eine Anpassung an die Lernvoraussetzungen und Lernrhythmen der Schüler*innen vornehmen und zugleich die Erfordernisse der jeweiligen Lernarrangements und Methoden berücksichtigen. Allerdings sollte man sich auch einen gewissen Realismus bewahren, erklärte Prof. Holtappels: „Eine Anpassung an die Voraussetzungen und Rhythmen jedes einzelnen Schülers innerhalb einer Lerngruppe bleibt unerreichbar.“
Die Möglichkeiten, die Schulleitungen und Lehrkräfte haben, um die Zeitorganisation an ihrer Einrichtung zu verändern und flexibel zu gestalten, bestehen zum Beispiel in der Auflösung des Stundentakts und der Bildung größerer oder kleinerer Zeitblöcke bzw. Kurz- und Maxistunden. Erhöht man beispielsweise den Umfang einer Unterrichtsstunde von 45 auf 60 Minuten, wird ein häufigerer Methodenwechsel möglich. „Auch eine offene Schulanfangs- und Schulschlussphase sind gute Mittel der Rhythmisierung“, führte Holtappels weiter aus. Diese Umgestaltung erfordert natürlich auch eine angepasste Planung der Pausenzeiten im Tagesablauf.
Insgesamt kann eine gut durchdachte Rhythmisierung also entscheidend zur Qualität von ganztägig arbeitenden Schulen beitragen. Doch eines sei dabei zu beachten, schloss Heinz Günter Holtappels seine Ausführungen in der Online-Veranstaltung: „Nur an der Rhythmisierung zu schrauben, bringt nicht viel. Es müssen auch andere Aspekte stimmen – nicht zuletzt die Innovationsbereitschaft des Kollegiums und die Einbindung außerschulischer Partner.“